Ausgewiesen! 1938 aus Berlin deportierte polnische Jüdinnen und Juden. Eine Spurensuche
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Typ | Seminar |
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Institution | Osteuropa-Institut |
Semester | Wintersemester 2014/2015 |
Veranstaltungsumfang | 2 SWS |
Raum | Garystr. 55 |
Zeit | Mittwoch 10-12 Uhr |
"Am 28. Oktober 1938 wurde ich frühmorgens, noch vor 7 Uhr, von einem Schutzmann, der ebenso aussah wie jene Polizisten, die auf der Straße den Verkehr regelten, energisch geweckt. […] Nachdem er meinen Pass genauestens geprüft hatte, händigte er mir ein Dokument aus. Ich würde, las ich, aus dem Deutschen Reich ausgewiesen. Ich solle mich, ordnete der Schutzmann an, gleich anziehen und mit ihm kommen." Mit diesen Worten beschrieb Marcel Reich-Ranicki, was ihm am 28. Oktober 1938 widerfuhr. Gemeinsam mit hunderten weiterer Berliner Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit wurde er aus Deutschland ausgewiesen und in einer überfallartigen Aktion an die polnische Grenze in den Grenzort Zbaszyn verbracht. In Zbaszyn und anderen Grenzorten verblieben die Ausgewiesenen bis zu zehn Monaten, bevor ihnen die Weiterreise nach Polen genehmigt wurde oder die Emigration gelang. Die Geschichte dieser ersten Deportationen von mehr als 17.000 Jüdinnen und Juden aus Deutschland nach Polen im Jahr 1938 ist bisher unzureichend aufgearbeitet. Auch zur lokalen Berliner Geschichte dieser sogenannten "Polenaktion" findet sich in der Fachliteratur wenig. Ziel des Projektseminars soll es daher sein, auf Basis verschiedener Quellen die Geschichte der ersten Deportation im Oktober 1938 aus Berlin zu erforschen. Für diese Spurensuche werden im ersten Schritt digitale lebensgeschichtliche Interviews aus dem Visual History Archive der Shoah Foundation ausgewertet. Anschließend werden in Berliner Archiven weitere Quellen recherchiert. Die Quellenfunde werden gemeinsam aufbereitet und analysiert, zudem ist eine Exkursion nach Zbaszyn vorgesehen.
Literatur:
Jerzy Tomaszewski: Auftakt zur Vernichtung. Die Vertreibung polnischer Juden aus Deutschland im Jahre 1938. Osnabrück 2002.