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OEI und „Kalter Krieg“: Das Marxismus-Leninismus-Projekt (1954–1964)

Franz Neumann

Franz Neumann
Bildquelle: Rechte sind unbekannt

Das Marxismus-Leninismus-Projekt bildete einen wichtigen Meilenstein in der Internationalisierung des Osteuropa-Instituts und einen bedeutenden Forschungsbeitrag. Das Projekt wurde in enger Kooperation mit US-amerikanischen Osteuropaforschenden („Russian Studies“) durchgeführt und untersuchte die ideelle Grundlage der osteuropäischen politischen und wirtschaftlichen Ordnungen – den Marxismus-Leninismus – sowie dessen Entfernung vom ursprünglichen marxistischen Denken. Herbert Marcuse, einer der wichtigsten Protagonisten des Projekts, formulierte es folgendermaßen: „In my view, there is still no adequate comprehensive critique of Marxism as an intellectual and political force, in its various ramifications and applications” (1957).

Entstehung des Projekts

Die ersten Vorüberlegungen des Projekts entwickelten sich in den frühen 1950er Jahren und waren vor allem durch zwei Faktoren geprägt: den Bestrebungen der deutschen Forschenden nach dem Ausbau der transatlantischen Zusammenarbeit im Bereich der Osteuropaforschung und dem Wunsch, sich intellektuell mit dem Marxismus-Leninismus auseinanderzusetzen. Dabei ging das Projekt von der Annahme aus, das Verständnis der marxistisch-leninistischen Ideologie sei notwendig für das Verständnis der Entwicklung des Ostblocks und der UdSSR. Zu den wichtigsten Protagonisten des Projekts gehörten auf deutscher Seite Werner Philipp und Hans-Joachim Lieber; während das Projekt in den USA durch die Unterstützung von Philip Mosely, Franz Neumann und Fritz Epstein ermöglicht wurde. Herbert Marcuse gab wichtige theoretische Anstöße.

Die zentralen Arbeitsformen des Projekts waren regelmäßige Konferenzen, an denen Forschende aus westeuropäischen Ländern und den USA beteiligt waren. Insgesamt wurden neun Tagungen durchgeführt. Die Projektmittel wurden auf der deutschen Seite auch dazu benutzt, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und Qualifikationsarbeiten zu finanzieren. Als Geldgeber des Projekts fungierte die Rockefeller Foundation; die seit 1913 bestehende Stiftung hatte sich im Laufe ihrer Geschichte mit der Finanzierung von zahlreichen Forschungsvorhaben befasst und war vom Anfang an stark international ausgerichtet. Seit 1922 spielte die Finanzierung der sozialwissenschaftlichen Forschung eine wichtige Rolle.