Mediothek des Osteuropa-Instituts
Jahr: 1989
Sprachfassung: Russisch mit englischen Untertiteln
Dauer: 153 Minuten
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Synopsis„In meiner Kindheit, in meiner frühen Jugend dachte ich, dass wenn alle Menschen Lew Nikolajewitsch Tolstoi lesen, dann werden ausnahmslos alle alles, alles verstehen und gute, kluge Menschen werden.” Mit diesem Satz wenden sich am Anfang des "Asthenischen Syndroms" drei alte Frauen direkt an die Zuschauer. "Die Zuschauer ahnen, dass es sich bei dem dissonanten Chor der Alten um Verhöhnung, um Stjob handeln muss.", schreibt Filmwissenschaftlerin Isa Willinger über die Szene. "Denn wer alles über die brutale Wirklichkeit versteht, fällt in den albtraumhaften Schlaf des Asthenischen Syndroms."
Kira Muratowas sechster Film schaffte es 1989 nicht an der Zensur vorbei und wurde somit zum letzten verbotenen Film der UdSSR. Grund dafür waren Passagen mit derben Flüchen (russisches "Mat"), die so zuvor noch niemals auf der Leinwand zu hören gewesen waren. In nur lose bis unzusammenhängenden, collagenhaften Szenen entwirft der Film das Bild einer rastlosen Gesellschaft, die im Prozess ist, sich alter Regeln und Normen zu entledigen, während die neuen noch gar nicht geschaffen sind.
Der Film besteht aus zwei Teilen, einmal als Film-im-Film in Schwarz-Weiß, einmal in Farbe. Im ersten bricht eine Frau über den Tod ihres Mannes psychisch zusammen und erteilt allen gesellschaftlichen Konventionen eine radikale Absage. Im zweiten ereilt einen jungen Lehrer das asthenische Syndrom: Den Zumutungen des Lebens begegnet er auch in unmöglichsten Situationen mit tiefem Schlaf.
Dank einer aus dem Land geschmuggelten Kopie erlebte "Das asthenische Syndrom" 1990 dennoch seine Premiere auf der Berlinale und gewann dort den Silbernen Bären. Ein halbes Jahr später durfte er auch in der Sowjetunion aufgeführt werden und erhielt dort schließlich den Nika, den wichtigsten russischen Filmpreis.
Mehr zum Film des MonatsFilmspecial Ukraine der Mediothek:
Die Mediothek des Osteuropa Instituts sammelt im Rahmen des Ukrainespecials Dokumentar- und Spielfilme, die nach dem russischen Angriffskrieg von ukrainischen und weiteren mittel- und osteuropäischen FilmemacherInnen, von internationalen Filmfestivals und Filminstitutionen im kostenlosen Onlinestream veröffentlicht wurden.
Die Filmauswahl wird regelmäßig mit neuen Streamingangeboten ergänzt und bietet einen kritischen und vielseitigen filmischen Zugang zu den aktuellen Erreignissen in der Ukraine und in der Region.