Zeugnisse des Krieges
Projekt-Ausstellung von Studierenden des Osteuropa-Instituts und des Peter Szondi-Instituts für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der FU Berlin
Eröffnung am 10. Februar 2023, 12 Uhr, Habelschwerdter Allee 45, Raum JK 28/228
Seit einem Jahr leben wir in der Ära der sogenannten „Zeitenwende“. Mit dem russischen Angriff auf die gesamte Ukraine ist ein europäischer Krieg, der seit 2014 andauert, aber lange als ein entfernter Regional-konflikt betrachtet wurde, im deutschen Alltag angekommen. Auch wenn zwischen Berlin und Kyjiw mehr als Tausend Kilometer liegen, betreffen uns die russischen Raketen auf ukrainische Wohnhäuser, Krankenhäuser, Bushalte-stellen, Kindergärten, Schulen und Kraftwerke unmittelbar: Wir sind täglich aufgefordert, uns zu diesem Krieg zu verhalten.
Was heißt das konkret? Es kann heißen, viele Stunden des Tages über Nachrichtenportale und soziale Medien (Des)Informationen zur Lage im Kriegsgebiet zu konsumieren. Es kann heißen, im Expert*innengestus über militärische Strategien zu debattieren oder den Terror des Krieges durch historische Einordnung zu rationalisieren. Es kann heißen, das stumme Entsetzen zu überwinden, die eigene Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen und sich politisch oder humanitär zu engagieren. Es kann auch heißen, die Uhr der Zeitenwende auf Null zurückzustellen und Zuflucht im Weltbild der Vorkriegszeit zu suchen.
Was immer wir tun oder nicht tun, wie aktiv oder passiv wir uns verhalten mögen – stets sind wir Zeitzeug*innen. Im Seminar „Zeugnisse des Krieges“ haben wir danach gefragt, was es heißen kann, diesen Krieg zu bezeugen? Wie und worüber können wir Zeugnis ablegen? Im Verlauf der Seminararbeit, im Gespräch mit Künstler*innen und Wissenschaftler*innen aus der Ukraine, in der Begegnung mit Texten und Bildern sind sehr unterschiedliche Projekte entstanden. Sie kartographieren das Mediennetzwerk des Krieges, sie berichten aus der Arbeit mit geflüchteten Kindern, sie rücken queere Lebenswelten des Krieges in den Fokus, sie dokumentieren das gestörte Zeitgefühl in Bombenkellern und sie bergen Dinge, die auf der Flucht zurückgelassen oder von Trümmern verschüttet wurden.
Diese Ausstellung zeigt einen Ausschnitt, eine Momentaufnahme aus unserer Seminararbeit. An den Projekten arbeiteten Franziska Denkert, Melike Ertürk, Lotti Hamer, Greta Hülsmann, Polina Kviatkovskaia, Jana Lizinski, Katja Nuss, Niels Oltmanns, Sven Popp, Anna Schulze und Alena Struzh.
Berlin, Februar 2023