Das Märchen vom Spreepark Plänterwald. Ein Blick auf den einzigen Freizeitpark der DDR und seine Geschichte als Vergnügungsort für die arbeitende Bevölkerung
Zum 20. Jahrestag der Gründung der DDR 1969 sollte es etwas Besonderes sein: im Berliner Plänterwald öffnete der erste und einzige Freizeitpark im sozialistischen Deutschland. Er war der einzige ständige Vergnügungspark der DDR.
Zu DDR-Zeiten kamen bis zu 1,7 Millionen Besucher jährlich, bei gut 1,1 Millionen in Ost-Berlin lebenden Menschen ein durchaus wahrgenommenes Geschenk des Staates an seine arbeitende Bevölkerung. Es gab keine inländische Produktion von Fahrgeschäften. Deshalb kaufte ein niederländischer Zwischenhändler die Anlagen für den VEB Kulturpark Berlin auf der ganzen Welt ein. Das Team vor Ort gestaltet sie anschließend "systemkonform" um: BMW-Motorräder verloren ihre Logos, Sputnik-Darstellungen ersetzten NASA-Raketen, der Astrojet wurde zum Kosmosjäger. Das Riesenrad mit seinen 40 Gondeln wurde 1989 anlässlich des 40. Jahrestags der DDR als "größtes Riesenrad Europas" eingeweiht und somit zu einem weiteren Geschenk im Märchenland für das Volk, das im Arbeiter- und Bauernstaat lebte. Der Eintritt in den Park war kostenlos, für einzelne Fahrgeschäfte musste jedoch bezahlt werden.
1991 übernahm der westdeutsche Schausteller Norbert Witte den Park und modernisierte ihn nach dem Muster westlicher Themenparks. Nun musste ganz im Sinne des neuen Systems Eintritt für den gesamten Park bezahlt werden. Ende der 1990er Jahre aber brachen auch wegen der hohen Eintrittspreise die Besucherzahlen ein und der Park wurde geschlossen.
Der Parkbetreiber Witte verschwand nach dem Bankrott 2001 mit einem Großteil der Fahrgeschäfte nach Peru. Am 19. Mai 2004 wurde Witte in Deutschland zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er versucht hatte, im Mast des Fahrgeschäftes Fliegender Teppich 167 kg Kokain von Peru nach Deutschland zu schmuggeln. Statt eines sozialistischen Märchenparks des Staates für die Bevölkerung schrieb nun der neue kapitalistische Besitzer des Parks die Märchen des Plänterwaldes, deren Ende trauriger kaum hätte sein können.
Märchenhaft blieb das Gelände aber auch als Lost Place. So wird die folgende Zeit vom Berliner Zentrum Industriekultur ganz passend beschrieben: "Der Spreepark versinkt im Dornröschenschlaf und lockt Abenteurer magisch an. Eine wilde Tierfratze, einst die Einfahrt in einen Achterbahntunnel, verschwindet in dem Blätterdschungel, aus dem sie zu stammen scheint. Der stillgelegte Spreepark im Plänterwald ist Berlins wohl bekanntester Lost Place."
Inzwischen gehört das Land wieder der Stadt Berlin, die mit der Entwicklung eines neuen Freizeitparks Kunst, Kultur und Natur zusammenkommen lassen möchte. Auf vielfachen Wunsch der Bevölkerung werden etwa das Riesenrad, aber auch andere Relikte alter Zeiten künstlerisch und unter besonderer Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsaspekts neu interpretiert und so für neue Nutzungen wiederbelebt. Die verschiedenen historischen Aspekte des Märchens des Freizeitparks im Plänterwald werden in der Gegenwart also zusammengefügt. Auch gegenwärtige offizielle Beschreibungen des Parks seitens der Stadt Berlin muten zauberhaft an und verweisen nahezu darauf, dass das Märchen vom Plänterwald auch in der Zukunft kaum enden wird:
"Dank eines umfassenden Nachhaltigkeitskonzepts erfolgt die 'Verwandlung des Spreeparks' effizient und ressourcenschonend. Das Konzept sieht neben einer schonenden und zukunftsgewandten Entwicklung in den klassischen Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales weitere hohe Standards für technische Qualität, Prozessqualität und Standortqualität vor. Die nachhaltige Entwicklung beinhaltet unter anderem die Berücksichtigung von Lebensraumansprüchen der am Ort ansässigen Tier- und Pflanzenarten, die Nutzung vorhandener Bausubstanz und die Umsetzung eines innovativen Verkehrskonzepts, das die Mobilitätswende unterstützt. Die sozio-kulturelle Komponente wurde einerseits durch den umfangreichen Dialog mit den Bürger*innen gestärkt."
Der Blick auf den Spreepark Plänterwald entstand insbesondere durch die Beschreibungen offizieller Organe der Stadt Berlin, aber auch journalistische Eindrücke und Foto-Reportagen. Zudem wurde die Verwunschenheit des Parks auch vor Ort untersucht und insbesondere der Stand der gegenwärtigen Veränderung betrachtet. Sinnbildlich dafür wurde fotografisch festgehalten, mit welchen ebenfalls nahezu märchenhaft anmutenden Sätzen und Zielen die Verwandlung des Parks beworben wird.
Joschka Hofmann
Quellenverzeichnis:
Berliner Zentrum Industriekultur (o.D): Spreepark Plänterwald. https://industriekultur.berlin/ort/spreepark-plaenterwald/ (Letzter Zugriff: 01.08.2023).
Flade, Christopher (o.D.): Spreepark Plänterwald: Der fast vergessene Freizeitpark in Berlin-Treptow. https://berliner-spreepark.de/ (Letzter Zugriff: 01.08.2023).
Spreepark (o.D.): Mobilität. Ein nachhaltiges Verkehrskonzept für den Spreepark. https://www.spreepark.berlin/konzept/mobilitaet/ (Letzter Zugriff: 01.08.2023).
Treusch, Wolf-Sören (2020, 06. August): Spreepark Berlin. Der "Rummel" ist heute ein verwunschener Ort. https://www.deutschlandfunkkultur.de/spreepark-berlin-der-rummel-ist-heute-ein-verwunschener-ort-100.html (Letzter Zugriff: 01.08.2023).
o.A. (o.D.): Spreepark Plänterwald. Die Ruinen des einstigen DDR-Vergnügungsparks werden saniert. https://www.visitberlin.de/de/spreepark-plaenterwald (Letzter Zugriff: 01.08.2023).