Dokumentarismus im Film
Der Dokumentarfilm fungiert aktuell in der filmwissenschaftlichen Forschung sicherlich als künstlerisch reichstes audiovisuelles Medium, das in erster Linie das Ziel verfolgt, über den Zustand der Welt und über die Lebensumstände der Menschen u. a. eine relevante Aussage zu treffen (so Daniel Sponsel „Der Dokufilm. Die Kunst der Stunde“). Das dokumentarische Kino lebt einerseits von der Unmittelbarkeit der äußeren Wirklichkeit, schöpft aber gleichzeitig von der künstlerischen Interpretation dieser Wirklichkeit. Er funktioniert in der Regel als sinnliches und emotionales Evidenzerlebnis, genießt narrative und gestalterische Freiheiten im Bild, in der Sprache und in der Dramaturgie. Das dokumentarische Genre bietet sich als Informationsmedium, aber auch als Grundlage für gesellschaftskritische Diskussionen an. Die Dokumentarfilme arbeiten oft in essayistischen und selbstreflexiven Formen mit stilistischen und ästhetischen Brüchen, führen mangelnde Kontrolle über die Aufnahmesituation vor, inszenieren die Kamera als bewusst wahrgenommenen Erzähler und fordern von ZuschauerIn einen reflexiven Zugang zu den dargestellten Inhalten. Dem ukrainischen und georgischen zeitgenössischen Dokumentarfilm (Filme von #Babylon’13, Roman Liubyi, Nino Kirtadze, Salomé Jaschi, Oleksandr Techynsky, Sergei Loznitsa u.a.) kommt oft eine wichtige Rolle im Prozess der Kriegsdokumentation zu. Die Dokumentararbeiten sind nicht nur eine visuelle Erinnerung des Krieges, sondern finden Verwendung für juristische Prozesse, führen individuelle und kollektive Biographien vor, diskutieren Flucht- und Traumaerfahrungen und sind dabei künstlerisch anspruchsvoll gestaltet. Angefangen von den eher konventionellen dokumentarischen Formen bis zu den hybriden Genres (Mockumentary, Fakedokus, Pseudo-Dokus), found footige-Verfahren oder Re-enactments arbeitet das osteuropäische Dokumentarkino mit einer Reihe von experimentellen Ansätzen. Neben den Reflexionen zum Krieg als eine individuelle und kollektive Erfahrung, den Verhandlungen von ökologischen und sozialen Fragestellungen, werden hier ethische Fragen nach der Darstellung von Tod und Gewalt und nach Möglichkeiten und Grenzen des dokumentarischen Mediums zentral. So loten sie in ästhetischer und poetischer Bildsprache und in komplexer Formsprache die Grenzen des Mediums intensiv aus.
Für die einführenden Sitzungen, die zum größten Teil theoretisch ausgerichtet sind, sollen von allen Seminarteilnehmer*innen schriftliche Stellungnahme zu ausgewählten Texten der Sekundärliteratur eingereicht werden. Die Lektüreexzerpte sollten eine A4 Seite umfassen. Nach den einführenden Sitzungen werden wir uns mit filmischen Beispielen befassen, zu denen Sie (u. a. in Arbeitsgruppen) in unterschiedlichen Formaten wie Rezensionen, kürzeren Text- und Filmanalysen, Fragen/Thesen, theoretischen Bezugnahmen Stellung nehmen. Alle thematischen Blöcke werden durch einführende Erläuterungen, Kontextualisierungen, vertiefende Reflexionen zum theoretischen Fundament des Seminars u. a. ergänzt und Ihnen in Form eines Handouts o. Ä. zur Verfügung gestellt. 1. Exzerpte Forschungsliteratur (zwei Texte á eine A4 Seite) 2. Rezension / Textanalyse od. Filmanalyse / Lektüreeindruck + Fragen (je zwei Texte á eine A4 Seite) 3. Kontextualisierung Forschungsliteratur + Primärtext
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Typ | Vertiefungsseminar |
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Dozent/in | Irine Beridze, M.A. |
Raum | Ihnestr. 21 Hörsaal B |
Beginn | 18.04.2023 | 12:00 |
Zeit | Di, 12:00-14:00 |