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Psychologie und Ästhetik in der frühen Sowjetunion: Die kulturhistorische Schule (Vygotskij, Eisenstein, Lurija)

(31705)

TypVertiefungsseminar
SpracheDeutsch
RaumIhnestr. 22 Seminarraum UG 4
Beginn19.04.2016 | 14:00
Zeit

Di, 14:00-16:00 Uhr

Literaturliste

Vygotskij, Lev S.: „Gedanke und Wort“. Siebtes Kapitel in: Ders: Denken und Sprechen. Psychologische Untersuchungen. Hrsg. u. aus d. Russischen übersetzt v. J. Lompscher u. G. Rückriem. Mit e. Nachwort v. A. Metraux. Beltz Verlag, 2002, S. 387–467; Bulgakowa, Oksana: „From expressive movement to the ‚basic problem‘. The Vygotsky–Luria–Eisensteinian theory of art“. Cambridge Handbook of Cultural-Historical Psychology. Hg. v. A. Yasnitzky, R. v.d. Veer, M. Ferrari, Cambridge University Press, 2014, S. 423–448.

Linguistik und Pädagogik, Psychologie und Philosophie, Anthropologie und Poetik: Verschiedene Disziplinen berühren die Methoden und Fragestellungen der kulturhistorischen Schule der Psychologie. Diese ab den späten 1920er Jahren in der Sowjetunion um Lev Vygotskij, Aleksandr Lurija und Aleksej Leont’ev entstandene Forschung geriet im 20. Jahrhundert in Vergessenheit. Aktuelle Publikationen wie das Cambridge Handbook of Cultural-Historical Psychology (2014) zeugen jedoch von einem neuen Interesse an diesem informellen Netzwerk von Forschern, welche auch im Austausch mit dem Regisseur Sergej Eisenstein standen. Die Frage nach dem Ausdruck und der Ausdrucksbewegung nähert Eisenstein wiederum den theoretischen und auch filmischen Arbeiten des Berliner Gestaltpsychologen Kurt Lewin an. In den Moskauer Laboren Lurijas sucht Eisenstein nach einer experimentellen Bestätigung der Ausdrucksbewegung. Die Verbindung von experimentellen und historischen Analysen schafft einerseits eine Abgrenzung zur Reflexologie, andererseits gibt es Anschlüsse zur (intellektuellen) Montage bei Eisenstein. Im Kontext der Biomechanik und Avantgarde zeichnen sich immer wieder konfliktuelle Verhältnisse ab: Konflikt der Bewegungen, Einstellungen, Affekte. Diese Dynamik betrifft auch Vygotskijs Untersuchung der „inneren Rede“ sowie die vorangegangenen Thesen zum „Affektkonflikt“ und zur „ästhetischen Reaktion“. Vygotskijs Kenntnis der avantgardistischen Poetik seiner Zeit scheint ein Hintergrund seiner Annahme zu sein, dass die Wort und Bedeutung verbindende Assoziation instabil ist. Die Thesen zu phylogenetischen Wurzeln von Denken und Sprechen sowie zu soziokulturellen Entwicklungsstufen sind zwar ihrerseits nicht frei von Reduktionismen, jedoch werden die historischen und materiellen Bedingungen der Psyche berücksichtigt. Der Behaviorismus in der Psychologie ist darauf nicht eingegangen. Das Seminar führt in grundlegende Positionen der kulturhistorischen Schule ein und gibt einen Ausblick auf aktuelle Debatten um die Historizität und Materialität kognitiver und emotionaler Phänomene.