Kunst und Emotion. Tolstoj - Vygotskij - Ejzenstein - Sklovskij
(16415)
Dozent/in | Willi Reinecke |
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Webadresse | |
Maximale Teilnehmerzahl | 30 |
Raum | Habelschwerdter Allee 45, JK 31/124 |
Beginn | 16.04.2018 | 14:00 |
Zeit | Montag, 14 - 16 Uhr |
"Kunst ist eine menschliche Tätigkeit, die darin besteht, dass ein Mensch durch bestimmte äußere Zeichen anderen die von ihm gefundenen Gefühle bewusst mitteilt und dass andere von diesen Gefühlen angesteckt werden und sie erleben." Diese Definition Tolstojs setzt ebenso viel voraus, wie sie vorwegnimmt: In einer Engführung anthropologischer, semiotischer und moralphilosophischer Annahmen wird Ansteckung zum Indikator der Wirkungskraft von Kunst. Der Kunstpsychologe Vygotskij kommt einige Jahrzehnte später zu einem anderen Schluss und beruft sich dabei auf aristotelische Katharsis, psychologische Ästhetik und Positionen der russischen Formalisten: "Wenn ein Gedicht über die Traurigkeit nichts wollte, als uns mit der Traurigkeit des Verfassers anzustecken, so wäre das sehr traurig für die Kunst". Die Avantgarde der frühen Sowjetunion sucht nach einer Maximierung der Wirkung von Kunst. Ob dabei Emotionen, Erkenntnis oder physiologischer Effekt den wesentlichen Anteil ausmachen, wird auch in aktuellen Debatten über Wirkungsästhetik weiter verhandelt. Liegt der Fokus auf dem Aspekt der Produktion, verlagert sich die Fragestellung auf die in Kunstwerken modellierten Emotionen. Bei Šklovskij steht die Semantik von Gefühl und Emotion zunächst konträr zu seiner Konzentration auf künstlerische Verfahren. Für Ejzenštejn ist die Montage auch für die Dynamisierung emotionalen Erlebens verantwortlich. Daran angeknüpft sind Theorien und Praktiken menschlichen Denkens jenseits rein kognitiver Vollzüge. Das Seminar führt in Grundlagen ästhetischer Emotionstheorie und Affektpoetik ein und gibt einen Ausblick auf die aktuell im des Rahmen emotional turn diskutierten Kulturtechniken der Emotionalisierung. Dabei soll erarbeitet werden, inwieweit die Spezifik literarischer Emotionen auf andere Künste auszuweiten ist.