Feminismusforschung in der ehemaligen Sowjetunion, dem heutigen Russland und der Tschechischen Republik
Das Thema des Projektes ist die Entwicklung der feministischen Forschung im Wandel der Zeit. Somit soll die Untersuchung frühestens in den 1970er Jahren ansetzen. Wir haben uns für die Arbeit an diesen Themenbereich entschieden, da wir davon ausgehen, dass sich im Bereich der Feminismusforschung/Gender Studies in den vergangenen Jahrzehnten viel entwickelt und verändert hat - vor allem in dem von uns untersuchten Raum und daher eine eingehende Analyse viel Erkenntnisgewinn bringen kann. Wir sehen die feministische Forschung als einen Teil der Gender Studies, der sich nur schwer von diesen abgrenzen lässt. Außerdem stellen die Gender Studies einen wichtigen Anhaltspunkt für die Rekrutierung von Kontaktpersonen in der Feminismusforschung dar.
Aufgrund ihrer Rolle als bedeutendste Entität in der östlichen Hemisphäre der Vergangenheit, gilt die Sowjetunion als Basis für die Untersuchung. Da gerade westliche feministische Theorien und Forschungsansätze im 20. Jahrhundert innerhalb der Wissenschaft Fuß fassen konnten, ist es interessant zu untersuchen, wie und ob sich feministische Themen und Forschungen in dem oft als konträr gesehen Osten entwickelten, gerade noch im Zeitraum der Sowjetunion. Darauf aufbauend wird der Zeitraum nach 1990 untersucht. Weil Russland noch heute als “Inbegriff” der UdSSR gesehen wird, wurde dieses als erstes Land zur Analyse der heutigen Forschung ausgewählt. Um die Perspektive auf das Thema zu erweitern, haben wir uns dazu entschieden, ein weiteres Land zu untersuchen - die Tschechoslowakei bzw. nach 1993 Tschechien. Dieses wurde ausgesucht, um (so unsere Annahme) im östlichen Europa eine “westlichere” Perspektive auf den Feminismus bzw. die Feminismusforschung zu erhalten. Außerdem soll hierbei auch der Faktor und eventuelle Einfluss der Religion betrachtet werden.
Die mit einbezogenen Zeitabschnitte sind dabei vor allem die letzten Jahrzehnte der Sowjetunion (die 1970er und 80er Jahre). Hier besteht allerdings die Frage, inwieweit feministische Forschung in der Sowjetunion zu dieser Zeit überhaupt stattfand bzw. dokumentiert wurde. In einem weiteren Schritt sollen Vergleiche zur Gegenwart angestellt werden, sowie die 1990er Jahre, welche von ihrer Umbruchsstimmung gekennzeichnet sind und daher ausführlicher analysiert werden. Der letzte Zeitraum ist das 21. Jahrhundert, welcher als “heute” zusammengefasst werden kann. Neben einer ausführlichen Literaturanalyse zu den Hintergründen, stützt sich das Projekt auf qualitative Expert*innen-Interviews mit einer Dauer von ca. 45 Minuten. Hierbei sollen zwei Ebenen untersucht werden, die universitäre Forschung und der Einfluss dieser auf die Zivilgesellschaft. Zunächst werden Expert*innen aus universitären Kreisen aus Russland, Tschechien, aber auch Deutschland, kontaktiert und ggf. interviewt. Hierbei geht es vor allem um die Untersuchung der feministischen Forschung zu den Zeiten der Sowjetunion bzw. im Zeitraum des Umbruchs in den zu untersuchenden Ländern. Im Fokus steht, ob akademische Feminismusforschung damals bereits betrieben wurde und wenn, wie sie die Zivilgesellschaft beeinflusst konnte. Jenen sowie den heutigen Einfluss feministischer Forschung auf die Zivilgesellschaft in den beiden Ländern, wollen wir durch Interviews mit Vertreter*innen aktueller, ortsansässiger (d.h. russischer und tschechischer) NGOs bestimmen. Um einen umfangreichen Einblick zu erhalten, sollen mindestens vier Personen befragt werden - zwei bezüglich des Zeitraums der Sowjetunion und den 1990er Jahren und zwei zur heutigen Situation. Das Ziel des Projektes ist es, ein wissenschaftliches Paper zu erstellen, in dem eine theoretische Einführung in die historische und gegenwärtige Feminismusforschung in Russland und Tschechien geleistet wird, welche dann auf Basis der Interviews empirisch unterstützt wird. Außerdem soll skizziert werden, inwieweit sich die Feminismusforschung (und damit die Wahrnehmung dieses Themas in der Zivilgesellschaft) über die 70er und 80er Jahren in der Sowjetunion und der Tschechoslowakei hinweg, über die 90er Jahre in Russland und Tschechien bis heute gewandelt hat. Die beiden Länder stehen sich dabei vergleichend gegenüber.