Ziviler Ungehorsam? Gesellschaft und Staat in Osteuropa
Die interdisziplinäre Ringvorlesung rückt die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft in Mittel- und Osteuropa in den Vordergrund. Antonio Gramsci schrieb in seinen Gefängnis über den Osten Europas um den ersten Weltkrieg: "Im Osten war der Staat alles, die Zivilgesellschaft war in ihren Anfängen und gallerthaft." Vieles hat sich seitdem verändert, eine Schwäche der Zivilgesellschaft wird aber noch heute diagnostiziert. Die Zunahme und Verfestigung autoritativer Tendenzen etwa in Ungarn, der Ukraine oder Russland schränkt den Spielraum für autonomes Engagement wieder ein, während gleichzeitig sich viele Akteure der öffentlichen Kontrolle durch Bürgergruppen oder -initiativen entziehen. Gerade auf lokaler Ebene bilden sich immer wieder Initiativen, die erfolgreich bürgernahe Interessen durchsetzen. Künstlerische Interventionen und dissidente Praktiken des ehemaligen Undergrounds nutzen eine globalisierte Medienöffentlichkeit, um die postsozialistischen Kontrollregimes anzugreifen. Ziviler Ungehorsam gewinnt damit an neuer Brisanz, verstanden als "öffentliche, gewaltlose, gewissensbestimmte, aber politisch gesetzeswidrige Handlung, die gewöhnlich eine Änderung der Gesetze oder der Regierungspolitik herbeiführen soll" (John Rawls).
Im Anschluss an die Vorlesung verfolgt das Projektseminar das Ziel, einen interdisziplinären Zugang zu diesem Themenbereich zu entwickeln. Das Projektseminar besteht aus einem Seminar und einem Tutorium und streckt sich über zwei Semester. Die Studierenden sollen in Kleingruppen selbstständig Projekte zu dem Themenfeld entwickeln und durchführen. Darüber hinaus vermittelt der Kurs Fertigkeiten und Kenntnisse im Bereich des Projektmanagements. Eine Exkursion der Projektgruppen im Rahmen des Kurses ist geplant. Der Kurs richtet sich kernfachübergreifend an alle Studierenden im ersten Semester des Masters Osteuropa-Studien.
Das Projektseminar betreuten im akademischen Jahr 2013-2014 Weronika Buchwald (Wintersemester 2013), Julian Gröger (Sommersemester 2014), und Mihai Varga.
Broschüre des Projektseminars:
Die einzelnen Projekte sind:
- Growing Roots: Ökologische Proteste in Rumänien
- Menschenrechte in Belarus
- Bürgerinitiativen gegen Schiefergasörderung als Beispiel zivilen Ungehorsams in Polen
- Dokumentarfilm über die Annäherung der EU in der georgischen Gesellschaft
- PERSPEKTIVY - picturing moments of disobediance. Fotoworkshop mit Teilnehmer_innen aus Deutschland und der Ukraine
- Protestbewegung – Protestkunst – Bewegung durch Kunst?
- Jugendbegegnung zwischen polnischen und deutschen Schüler_innen - aus und nach Elk in Ermland-Masuren
- Ukraine im Wandel: Studentische Stimmen für eine neue Zukunft
- Street Art - Künstlerischer Protest in der Ukraine
- Vom zivilen Ungehorsam zum eigenen Staat? Transnistrien - ein Radiofeature
- Zivile Initiativen zur Integration von Migrant_innen in Russland